Es ist Frühling. Nach den chinesischen Fünf Wandlungsphasen befinden wir uns somit im Element Holz – Zeit sich Gedanken über Wachstum und die Grenzen des Wachstums auf der wirtschaftlichen Ebene zu machen.
Durch Firmenzusammenschlüsse und Eroberung von neuen Märkten hat sich das Wachstum nahezu von Jahr zu Jahr ungebremst fortgesetzt. Nach Außen zeigen die Multis ihre gigantischen Hochhauskonzernzentralen. Das Innenleben dieser Konzerne ist selten gesund. Eine bisher beispiellose Skandalserie erschüttert
in diesen Tagen den Elektrokonzern Siemens. Dabei steht in mehreren Fällen der Vorwurf der Korruption im Raum.
Größe ist nicht gleichzusetzten mit Stärke – eine alte taoistische Weisheit.
Führungseliten, die ihre Mitarbeiter nur noch als Kostenfaktoren sehen und den Menschen hinter der Zahl vergessen, müssen sich nicht wundern, wenn die Belegschaft innerlich kündigt. Charismatische Führungspersönlichkeiten, die ihre Mitarbeiter mit einer Vision zu begeistern wissen, gibt es ganz wenige.
Es lohnt sich in der Firma ein Klima zu schaffen, wo Arbeit Spaß macht. Zufriedene Mitarbeiter begeistern auch Kunden und führen zu einem besseren Betriebsergebnis. Eine Investition in das Wissen der Mitarbeiter, in wirkliche Personalentwicklung lohnt sich immer. Das haben zahlreiche Studien belegt.
Die Dynamik der Yin und Yang Aspekte des Holzes besteht in den Gegensätzen zwischen klarer Struktur und Entfaltung. Zwischen diesen beiden Polaritäten bewegt sich die Energie. Übermäßige Planung und Kontrolle kann jede Kreativität im Keim ersticken und den Fluß des Qi, der Energie, behindern. Dem Baum werden bildlich gesprochen die Zweige abgesägt, damit er sich nicht frei entfalten kann.
Auf der körperlichen Ebene zeigt sich dieses in Störungen von Leber und Gallenblasenfunktionen – in unkontrollierten Wutausbrüchen oder Depressionen, Muskelverspannungen, Verdauungsbeschwerden oder Migräne. Zu wenig Struktur und Planung führt andererseits zu Disharmonie, chaotischen Abläufen, Führungslosigkeit, ein Verteilen der Energie in alle Richtungen, nur nicht dorthin, wo sie ihren Zweck erfüllen sollte. Bevor ein neues Ziel klar definiert ist, herrscht Verwirrung und ein heilloses Durcheinander.
Fühlt sich der Mensch eingeengt, kontrolliert, kann er seine Ideen nicht einbringen oder fühlt er sich beruflich in einer Sackgasse? Das sind alles Symptome von gestauter Energie im Holz-Element, die nach chinesischer Medizin die Leber belasten. Auf der psychischen Ebene kann dieses zu innerem Stress, im extremen Fall zu Depressionen oder Autoaggressionskrankheiten führen. Der Geschäftsführer, der immer wieder von seinem Aufsichtsrat ausgebremst wird? Der Projektleiter, dessen Ideen an der Geschäftsleitung scheitern? Teammitglieder, die ignoriert oder nicht ernst genommen werden? Die Energie, die sich entwickeln, entfalten und wachsen will, stagniert.
Diese Störungen können sich analog dazu in einem gesamten Unternehmen oder einer Volkswirtschaft ausbreiten, wenn systemische Ungleichgewichte im Holz-Element vorliegen. Eine Vision gibt es nicht mehr. Probleme zeigen sich im Umgang mit Gefühlen, Emotionen und Aggressionen. Einfache Regeln des sozialen Umgangs miteinander werden missachtet. Leistungsträger verlassen das Unternehmen. Es herrscht ein eisiges Schweigen vor den Bildschirmen. Es wird nur noch das notwendigste miteinander kommuniziert. Die Belegschaft hat resigniert, innerlich gekündigt und strahlt diese Atmosphäre auf fatale Weise auf die Kundschaft aus. Das Qi im Holz fließt nicht mehr.
Oder das Holz wächst zu schnell. Ein Baum der zu schnell wächst, entwickelt schwache Wurzeln, wird anfällig für Ungeziefer und knickt bei dem ersten großen Sturm um. Analog dazu haben wir dieses Phänomen in den "boom-and-bust" Ökonomien der asiatischen Tigerstaaten gesehen, in dem Zusammenbruch der New Economy nach der Internet-Euphorie um das Jahr 2000 herum. Es war nicht mit rationalen Argumenten zu erklären, dass Börsianer Vermögen in Unternehmen investierten, deren "Gewinne" keine reale Substanz hatten.
Die Philosophie des stetigen unbegrenzten Wachstums ist nichts anderes als Wunschdenken. Wie in der Natur ist alles zyklischen Prozessen unterworfen. Noch nie gab es einen Börsenbarometer, das immer nach oben zeigte. Erfolgreiche Börsianer haben immer zyklisch agiert und zum richtigen Zeitpunkt gekauft und verkauft.
Das wirkliche Potential, der Körper eines Unternehmens, besteht aus den Mitarbeitern. Werden diese missachtend nur als Kostenfaktoren gesehen und behandelt und nicht mehr als Menschen wertgeschätzt, wird das Unternehmen über kurz oder lang untergehen. Wenn Mitarbeiter entlassen werden, um kurzfristig einen oder zwei Prozent mehr Rendite zu erzielen, hat das unabsehbare und fatale Folgen.
Die Öffentlichkeit, Kunden, Anleger und die Justiz dulden unethisches Verhalten immer weniger und zwar weltweit. Das zeigt sich an den Bilanzfälschungen um Worldcom in den USA, der Serie von Skandalen um Citigroup, die Ankündigungen der Deutschen Bank und IBM, zehntausende Mitarbeiter zu entlassen, während im gleichem Atemzug Milliardengewinne proklamiert werden.
Wirtschaftsethiker warnen, dass unethisches handeln schnell die Existenz eines ganzen Unternehmens aufs Spiel setzen kann. Ein Wertemanagement scheint in vielen Branchen mehr als geboten. Wo Manager Sparsamkeit predigen und dabei Kaviar schlürfen, geht jede Glaubwürdigkeit verloren. Diese "Realitätsverlust" ist typisch für eine gravierende Störung des Holz-Elements.
In der daoistischen, buddhistischen und taoistischen Lehre wird der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung immer wieder betont. Demnach nimmt hier, ganz anders als im westlichen Denken, der Gegner oder Konkurrent am Markt, die Presse, der Betriebsrat oder die Gewerkschaft die Schlüsselrolle des "Lehrers" ein. Der Kritiker und Gegner zeigt Schwächen und Defizite im System auf, worüber ernsthaft zu reflektieren sei.
Zusammenfassend zur Wandlungsphase Holz können folgende Fragen gestellt werden:
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Dienen meine Ziele, meine Vision, dem Wohl des großen Ganzen. Werden dabei Detaillösungen angeboten, dabei aber größere Zusammenhänge nicht gesehen. Wo ist mein Platz in dem großen Zusammenhang? Werden die Ziele von allen wirklich mitgetragen? Wer hat noch Ideen und Vorschläge? Closed-Concept-Vorstellungen ersticken Kreativität und Teamgeist.
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Wie kann frische Energie freigesetzt werden, die dem Frühling im Holz-Element Auftrieb gibt?
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Wo wird Forschergeist, Fantasie und Teamplay durch Kontrolle erstickt? Wo herrscht Orientierungslosigkeit, mangelnde Führung und unklare Zielsetzung?
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Wie ist die Ausgewogenheit zwischen Logik, Rationalität, Analyse einerseits und die Kreativität, die Intuition, das Bauchgefühl auf der anderen Seite?
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Herrscht in dem System ein Klima von zurückgehaltener Wut, Ironie und bitteren Sarkasmus, Apathie, Trägheit und Leistungsabfall? Werden die einfachsten Dinge nicht mehr "gesehen" , erledigt oder wahrgenommen? Oder wird viel gelacht und die Mitarbeiter haben offensichtlich Freude an der Arbeit?
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Auf der körperlichen Ebene kann gestaute Energie im Element-Holz wunderbar durch die Bewegungskünste Tai Chi, Qi Gong, Karate, Judo und Aikido ins fließen gebracht werden. Wo gibt es noch Möglichkeiten aus der Sackgasse herauszukommen? Wo gibt es weitere Möglichkeiten, um Flexibilität und Elastizität zu erreichen?