Es wird an der Zeit mit den vielen Mythen in der Burnout-Diskussion aufzuräumen und den Schwerpunkt auf eine vielschichtige Betrachtungsweise zu setzen. Die Eigenverantwortung der Betroffenen sollte dabei eine wesentliche Rolle einnehmen.
Burnout wird allgemein als Zustand völliger psychische und körperlicher Erschöpfung bezeichnet. Die emotionalen oder körperlichen Belastungen haben jedoch in der Regel eine lange Vorgeschichte. Sie kann ganze Institutionen betreffen und das Privatleben so stark beeinträchtigen, dass Einzelne im Extremfall den Herausforderungen eines normalen Lebens nicht mehr gewachsen sind.
Chronisches Burnout kann zu einem hohen Maß an Stresshormonen wie Glukokortikoiden, Katecholaminen und Prolaktin im Körper führen. Diese werden für die natürliche Kampf- und Fluchtreaktion des Körpers benötigt, aber wenn der Körper zu viel davon hat, kann dies zu ernsthaften Gesundheitsproblemen und sogar lebensbedrohlichen Krankheiten führen, da die Funktion lebenswichtige Organe beeinträchtigt werden.
Nachdem ich mehr als die Hälfte meines Lebens in der Medienbranche verbrachte, durchlief ich den kompletten Kreislauf von leidenschaftlicher Freude am Job bis hin zum völligen Frust und einem Burnout.
Einer der häufigsten Mythen ist, dass Burnout am Arbeitsplatz mit Arbeitsstress zusammenhängt, der durch kurze Fristen, zu hohe Produktivitätsanforderungen und unrealistische Management- oder Kundenanforderungen verursacht wird.
Dies ist nur ein Teil der Wahrheit. Wenn Sie Ihren Job mit Leidenschaft ausüben und ein hohes Maß an Unabhängigkeit, Entscheidungsfreiheit und Kreativität haben, werden Sie Stress nicht als solchen empfinden. Stattdessen werden Sie sich energetisiert und lebendig fühlen. Wir alle kennen das Gefühl, bei einem Spiel oder einer Sportveranstaltung etwas erreicht zu haben. Es ist das gleiche Gefühl, wenn Sie etwas tun und machen, das mit Ihrem Seelenauftrag im Einklang ist.

Der moderne Arbeitsplatz: Entmenschlicht und Sinnentleert
Jobs in so manchem Großunternehmen wurden in einem solchen Ausmaß entmenschlicht, dass Einzelpersonen mit mehreren hundert anderen Menschen in großen Büros eingepfercht werden. Sie haben kaum Entscheidungsraum, geschweige denn wann sie ihre Pausen machen können. Büroeinrichtungen sind standardisiert und den Mitarbeitern ist es untersagt, ihren Schreibtisch mit persönlichen Gegenständen wie Fotos ihrer Lieben zu dekorieren. Beschäftigte sind nicht heute auf morgen ausgebrannt. Es ist meist ein mehrjähriger Prozess, in dem Beschäftigte immer mehr den Sinn für das, was sie tun, verlieren und ihr persönliches Wertesystem von den Werten des Unternehmens getrennt werden.
In meinem Fall wurde ich Journalist im Apartheid-Südafrika, weil ich das Bedürfnis verspürte, denjenigen, die unter Diskriminierung litten, eine Stimme zu geben. Später, nach meiner Tätigkeit bei einer internationalen Nachrichtenagentur in Deutschland, konnte ich ausführlich über Themen schreiben, die mir am Herzen lagen, wie Dritte Welt und Umweltthemen. Der Journalismus hatte zumindest in einigen Medien die Aufgabe, zu informieren, aufzuklären und als Wächter über die Machthaber zu fungieren.
Die Ernüchterung begann, als immer mehr Medien im Zuge der Digitalisierung von Bildung auf Unterhaltung der schlimmsten Sorte umschwenkten. Heute erleben wir die Absurdität der Massenmedien, die die Hirne von Millionen mit Informationsmüll und Klatsch vernebeln. Es ist die gleiche Sinnentleerung, wenn einer Krankenschwester oder einem Arzt vorgeschrieben wird, wie viel Zeit sie mit einem Patienten verbringen dürfen, oder ein Sozialarbeiter mehr Zeit mit der Bürokratie verbringt als mit wirklichen Menschen in Not.
Der Körper lügt nicht
Irgendwann sendet der Körper die ersten Warnsignale. Der Körper reagiert mit schlaflosen Nächten, Verdauungsproblemen oder anderen Beschwerden. Aber Sie werden diese Frühwarnzeichen ignorieren und wegschieben, bis Sie sie nicht mehr ignorieren können oder eine lebensbedrohliche Diagnose wie ein Weckruf wirkt.
Stress beginnt immer mit einem Gedanken, bis der Gedanke in der Tretmühle des Kopfkinos stecken bleibt. Gedanken kreisen in ständiger Angst vor dem, was in der Zukunft passieren könnte: Jobverlust, Versetzungen, Outsourcing usw.
Arbeit sollte eine der schönsten Dinge sein, die der Mensch verrichtet, weil Sie den größten Teil des Lebens ausmacht. Es macht einen enormen Unterschied, ob Sie nur für Ihren Lebensunterhalt arbeiten oder wirklich genießen, was Sie tun.
In einigen Kulturen, die von der industriellen Revolution verschont geblieben sind, arbeiten die Menschen immer noch sechzehn Stunden am Tag. Aber man könnte auch argumentieren, dass sie nie wirklich arbeiten. Alltag, Familie und Freizeit sind eng miteinander verflochten und kaum voneinander zu trennen.
Laut Mihaly Csikszentmihalyi, Autor von „Flow: The Psychology of Optimal Experience“, je mehr ein Job von Natur aus einem Spiel gleicht – „Abwechslungsreich, mit flexiblen Herausforderungen, klaren Zielen und sofortigem Feedback – umso freudvoller wird er sein.“
Als Menschen entwickeln und wachsen wir mit den Herausforderungen, den Krisen, den Widerständen, den Problemen und deren Transformation zu einer neuen Bewusstseinsebene.
Geistige und körperliche Erschöpfung scheinen eher in der Beziehung des Mitarbeiters zur Arbeit zu liegen, und wie er/sie die persönlichen Ziele in Bezug darauf wahrnimmt.
Burnout und Bewusstseinswandel
Konflikte am Arbeitsplatz entstehen oft bei schlechter Führung. Den Mitarbeitern wird nicht zugetraut, das zu tun, was sie können, so gut sie können. Bessere Kommunikation, bessere Organisation, Delegation von Verantwortung und bessere gesundheitliche Selbstfürsorge können viel dazu beitragen, interne und externe Stressoren zu lindern.
Wenn der Mensch den größten Teil der Freizeit mit dem passiven Konsum von Negativität in Massenmedien verbringt, wird er von einem großen Teil des Lebenselixiers und Energie beraubt. Glücklichsein heißt anders. Aktive Freizeitgestalting, und regelmüßige Treffen mit Freunden und Familie stärkt nicht nur das Gemeinschaftsgefühlt, sondern nachweislich das Immunsystem.
An einem guten Arbeitsplatz erleben Menschen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Sie werden herausgefordert, bestätigt und fühlen sich dadurch glücklich, stark und zufrieden. Paradoxerweise fühlen sich dieselben Menschen, während sie ihre Freizeit verbringen, aufgrund der Art und Weise, wie sie diese Zeit verbringen, traurig, schwach und abgestumpft.
Reino Gevers, Trainer, Autor und Mentor